Donnerstag, 19. Januar 2012

Herabstufungen der Euroländer durch die Ratingagenturen werden vom Markt ignoriert

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat am Freitag die Bonität von neun Euroländern (Bericht hier) und am Montag diejenige des Euro-Rettungsschirms (Bericht hier) herabgestuft und Fitch kündigt einen vergleichbaren Schritt an (Ankündigung von Fitch).

Derweil platzieren mehrere Eurostaaten am Markt Anleihen zu günstigen Zinskonditionen, auf die sie vor einem Monat wohl in den kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt hätten (SpanienDeutschland und Portugal).
Nachtrag 19.1.2012: Auch Frankreich erreicht trotz Verlust des AAA-Ratings bei einer Auktion für Staatsanleihen tiefere Zinsen als zuvor. (Bericht hier).

Was soll man daraus schliessen?
1. Spielen die Ratingagenturen mit gezinkten Karten, und heizen sie die Schuldenproblematik mit schlechten Ratings bewusst an, weil sie daran gut verdienen (oder dies zumindest erwarten)? Dieser Vorwurf wurde gestern 17.1.2012 im "Echo der Zeit" von Manfred Gärtner (Uni St. Gallen) erhoben (Beitrag hier nachzuhören).
2. Oder ist  der von den Ökonomen postulierte Zusammenhang zwischen Risiko und Zinshöhe weitaus weniger zwingend / linear als uns die Ökonomen verkünden? Spielen irrationale Erwartungen und spekulatives Pokern bei der Festlegung der Zinsen an den Finanzmärkten vielleicht vielleicht eine grössere Rolle als erhärtbare Fakten?

Der Glaube an die Ökonomie als Wissenschaft und an die "Rationalität des Marktes" - oder was davon nach den Krisen der letzten Jahre übrig geblieben ist - wird durch die jüngsten Ereignisse jedenfalls kaum gestärkt. Selbst die Gralshüter des Kapitalismus scheinen mittlerweile von Zweifeln beschlichen zu werden:

«Der Kapitalismus in der bisherigen Form passt nicht länger zu unserer Welt», erklärte WEF-Gründer Klaus Schwab. «Wir haben es verpasst, die Lehren aus der Finanzkrise von 2009 zu ziehen.» Der globale Wandel sei dringend nötig.
Während man mit grossen Risiken kämpfe, sei man immer noch belastet von den Sünden der Vergangenheit. «Wir haben eine moralische Kluft, wir sind überschuldet, wir haben die Investitionen in unsere Zukunft vernachlässigt, wir haben den sozialen Zusammenhalt unterminiert und wir laufen Gefahr, das Vertrauen künftiger Generationen zu verlieren», sagte Schwab.
 (WEF-Gründer Schwab äussert am WEF Zweifel am Kapitalismus)


Nachtrag am 14.2.2012:

Selbes Thema - selber Effekt
Es beeindruckt die Märkte auch nicht, dass mit Moody's die letzte der grossen drei Ratingagenturen am 13.2.2012 nachzieht und die Herabstufungen mehrerer Euroländer durch Standard & Poor's und Fitch bestätigt. Italien und Spanien können sogar zu den seit längerem günstigsten Konditionen am Markt neue Anleihen aufnehmen.
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Moody-s-straft-mehrere-EUStaaten-ab/story/13710406

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