Samstag, 8. März 2014

SVP als Totengräber der Direkten Demokratie

... und die Beihilfe der 'kopflosen' Europaturbos
Tagesanzeiger-Artikel 'Die kopflosen 49,7%'
Die SVP gibt vor, die traditionellen Werte der Schweiz zu verteidigen, pflegt dabei aber sowohl in der "Arena" des Schweizer Fernsehens (sämtliche SVP-Schlachtrosse) wie auch in den deutschen Talkshows (Dauergast Köppel) konsequent den grob-lauten Poltikstil, der kennzeichnend für die europäischen Demokratien nach Regierungs-Oppositions-Schema ist und zerstört dabei systematisch eben jene Politkultur des Kompromisses und der Konsensfindung, die für die Direkte Demokratie unverzichtbar ist (am Ende braucht es bei einem Referendum nämlich eine breite Mehrheit, nicht 50,3 gegen 49,7 %, sonst fehlt die demokratische Legitimierung ...)
Umgekehrt finden die Europaturbos von links-grün bis neoliberal weder eine "Vision mit Fleisch am Knochen" noch eine Figur, die diese Vision der Bevölkerung auch glaubhaft vermitteln könnte. Wie wollen diese Kräfte - bei einem solch eklatanten Kommunikationsdefizit - nach dem von ihnen angestrebten EU-Beitritt ernsthaft "Teilhabe und Mitbestimmung" ausüben? (vgl. Tagesanzeiger-Artikel 'Die kopflosen 49,7%') Dazu noch ohne zu wissen - und vor allem: ohne wissen zu wollen, weshalb ihnen die Hälfte der Bevölkerung nicht mal beim halben Weg (Bilaterale Abkommen) bedingungslos folgen will.
Und wo bleibt bei den Euroturbos die Einsicht, dass man in der Schweiz nur erfolgreich Abstimmungen gewinnen kann, wenn man der Bevölkerung erstens klare, nachvollziehbare und realistische Konzepte präsentiert (statt bloss wolkigen Visionen "ohne Hand und Fuss") und zweitens auch durch verlässliche und wiederum nachvollziehbar-glaubhafte Absprachen (hier zwischen links-grünen und wirtschaftsliberalen Politikern) die faire Umsetzung garantiert.
Die SVP zieht ihr Ding mit viel (vor allem ausländischem) Medienecho durch, scheitert aber bei der Mehrheit der Volksabstimmungen über ihre Initiativen (wobei die Initiative ja grundsätzlich die schweizerische Form der ausserparlamentarischen Opposition ist, weil sie nämlich immer dann zum Einsatz kommt, wenn die Urheber der Initiative im Parlament ihre Anliegen nicht durchbringen).
Die Links-Grünen und die Neoliberalen verwechseln Politik (res publica: die öffentliche Sache - also das was man zum Wohl der Allgemeinheit analysieren, anpacken und vernünftig regeln müsste) mit Dauerwahlkampf-Rhetorik und weigern sich beharrlich, der destruktiven SVP-Polterei mehrheitsfähige Kompromisse entgegen zu setzen.
Wenn die schweizerische Classe Politique konsequent so weiter macht, dann wird in einigen Jahren das System der Direkten Demokratie nicht mehr funktionieren. Man wird dann der SVP dazu gratulieren können, die Schweiz europatauglich gemacht zu haben - nämlich bereit für eine Parlamentarische Demokratie mit ausserparlamentarischer Opposition und unterhaltsamen verbalen TV-Schlägereien statt ermüdend-trockenen Sachdiskussionen. Dann kann die Schweiz ihren "Sonderfall" aufgeben, zu den Konditionen der EU dieser beitreten, die Linken und Grünen im Europaparlament die Menschenrechte bereden lassen und das Führungspersonal der schweizerischen FDP zu den EU-Ministertreffen schicken, um die neoliberale Agenda mit abzusegnen.

Dienstag, 3. September 2013


Lynchjustiz vs. selbstgefälliger Justizapparat



Lynchjustiz, ist schrecklich - aber wie kommt es eigentlich dazu?

Ein aktueller Fall aus Papua-Neuguinea wirft einmal mehr die Frage auf: Warum betreibt ein sogenannt "wütender Mob" Lynchjustiz?  (Mensch beachte die ganze Abschätzigkeit in der Wortwahl des Gutmenschen, der hier über den "Mob" urteilt!)
Wütender Mob kastriert und tötet Sektenführer

Vielleicht würde es sich lohnen zu fragen, weshalb wir nicht mehr im "finsteren Mittelalter" leben. Wegen der "Aufklärung" natürlich. Mir scheint, dass heute viele Leute - und gerade diejenigen, die sich über den "Mob" empören, ein ziemlich einseitiges und unvollständiges Bild von der Aufklärung haben. 

Im Mittelalter war man sich noch einig, dass Macht von Gott verliehen und deshalb auch gerechtfertigt (legitimiert) ist. Dann haben es die Herrschenden im Zeitalter des Absolutismus einerseits definitiv mit dem Machtmissbrauch in allen Schattierungen übertrieben und andererseits haben auch seit der Renaissance immer mehr Leute begonnen, althergebrachte "Selbstverständlichkeiten" zu hinterfragen. So konnte es nicht weiter gehen. Wenn aber die "Herrschaft von Gottes Gnaden" offensichtlich nicht taugt, was legitimiert Herrschaft dann?

Ein Teil der im 18. Jahrhundert gefundenen Antwort ist einigermassen im Bewusstsein geblieben: Das Volk legitimiert und kontrolliert die staatliche Macht (und zwar mittels der modernen Demokratie) und die Menschenrechte sind eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. 

Der zweite Teil der Antwort scheint mir dagegen ziemlich in Vergessenheit geraten zu sein: Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau hat ihn unter dem Titel "Contrat Social" mehr skizziert als wirklich ausführlich beschrieben. (Originaltext: Rousseau, Du Contrat Social) Nun mag man zu Recht an seiner Skizze allerlei  Unausgegorenes kritisieren. Dennoch sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und den Grundgedanken mal nachvollziehen:

Der moderne Staat beruht auf einem - leider nirgendwo explizit formulierten und deshalb auch nicht "unterschriebenen" - Gesellschaftsvertrag, dessen Inhalt mangels expliziter Formulierung natürlich noch weitaus mehr Interpretationsspielraum offen lässt als die heute üblichen, von ganzen Juristenscharen monatelang ausgeklügelten staatlichen und privatwirtschaftlichen Verträge.

Dennoch, auch ein "mündlich" oder "per Handschlag" geschlossener Vertrag ist ein gültiger Vertrag. Und wenn ein Vertragspartner ihn bricht, dann hat der andere das Recht, ihn einzuklagen. Wenn zwei Private sich streiten, dann bietet der Staat dafür die Lösung: Privatklagen vor den zuständigen Gerichten. Wenn aber das Volk gegen den Staat bzw. dessen Repräsentanten klagen müsste, weil die ihren Job nicht so machen, wie es im Gesellschaftsvertrag abgemacht war, dann wird es offensichtlich schwierig.

Betrachten wir nun das Thema "Lynchjustiz" oder allgemeiner "Selbstjustiz" aus dieser Warte: Historisch ist klar, dass der Einzelne (und damit auch das Volk als Summe von Einzelnen) im modernen Staat auf das "Naturrecht" zur eigenmächtigen Durchsetzung seiner Interessen verzichtet bzw. verzichten muss. Insbesondere auf Selbstjustiz, aber auch auf "Blutrache", "Ehrenmorde" und dergleichen. Das schien uns Westeuropäern lange selbstverständlich zu sein (mit Ausnahme einiger Promille der Bevölkerung, die wir als asoziale Wesen betrachten). Ist es aber in anderen Kulturen bis heute offensichtlich nicht, weil dort die Aufklärung zumindest nicht im gleichen Masse im "kollektiven Bewusstsein" verankert ist wie in Europa. Gewalt darf im modernen Rechtsstaat legitim immer nur vom Staat ausgeübt werden, nicht vom Einzelnen. Auch wenn sein Gegner ihm schlimmstes Unrecht angetan hat. Nix mehr mit "Auge um Auge", Blutrache und so. So weit so klar, zumindestens in Westeuropa.

Was aber ist die Gegenleistung des Staates für den Gewaltverzicht der Bürger? Ein Vertrag, auch ein Gesellschaftsvertrag, ist nämlich ein Unding, wenn der eine nur Pflichten und der andere nur Rechte hat. Nun, der Staat bzw. dessen Repräsentanten, haben sich auch Pflichten eingehandelt: 

1. Die Staatsgewalt darf nur unter Einhaltung von strengen Regeln ausgeübt werden. Insbesondere darf keine Willkür im Spiel sein und es müssen alle vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Unterschiede darf der Staat nicht wegen der Herkunft oder wegen des Geschlechts machen, akzeptiert ist dagegen, dass Jugendliche anders behandelt werden als Erwachsene (Jugendstrafrecht) und psychisch Kranke anders als voll zurechnungsfähige. Dieses Prinzip ist allen bekannt und wenn es mal verletzt wird, was ab und zu vorkommt, dann gibt es auch einen Skandal und hat zumindest gewisse Konsequenzen für die fehlbaren Staatsdiener. 

Wichtig ist hier: Während im Mittelalter oft willkürlich von Unschuldigen Geständnisse unter Folter erpresst wurden, einfach um einen Schuldigen zu haben (auch für "Naturkatastrophen" wie Erdbeben, Pestepidemien und dergleichen) oder weil der Herrscher etwas gegen ihn hatte, schützt dieser erste Punkt vor allem den unschuldig Angeklagten vor der staatlichen Willkür. Und in Europa (nicht im Rest der Welt!) hat auch der schlimmste Verbrecher das elementare Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Todesstrafe ist in Europa abgeschafft. So weit so gut.

2. Unausgesprochen, aber im Rechtsempfinden der Bevölkerung ebenso verankert ist allerdings die Kehrseite: Auch die unbescholtenen Bürger, nicht nur die Verbrecher, haben ein ebenso absolutes Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Ist eigentlich logisch, oder? Für unser Justizsystem offensichtlich nicht. Denn wenn der Staat daraus die logische Konsequenz ziehen würden, müsste er die Bevölkerung zumindest wirksam vor zweifelsfrei überführten Verbrechern schützen, bei denen auch nur eine geringe Rückfallgefahr besteht. Und wenn der Staat diese Verbrecher nicht mit der Todesstrafe bestrafen kann, müsste er sie halt tatsächlich lebenslänglich "verwahren", nicht nur maximal 25 Jahre ins Gefängnis stecken und bei guter Führung schon nach weniger als 20 Jahren freilassen. Tut er aber nicht, die Rückfallquote ist erschreckend hoch.

Wie ist das zu beurteilen? Wer bis hierher folgen konnte/wollte, wird jetzt auch erkennen: der Staat ist in diesem "ungeschriebenen" Punkt des Gesellschaftsvertrages vertragsbrüchig. Und er lässt sich mit demokratischen Mitteln nicht einmal einklagen. Wie es scheint, weltweit nicht. 
Nicht einmal in der Direkten Demokratie der Schweiz mit einer Volksinitiative, die gemäss der Schweizerischen Bundesverfassung entsprechendes Verfassungsrecht schafft. In der Schweiz hat das Volk mit einer Volksabstimmung seine Sicht des Gesellschaftsvertrages vor wenigen Jahren sogar deutlich und "schriftlich" zum Ausdruck gebracht. Trotzdem haben Parlament, Regierung und Justiz der Schweiz seit Annahme der "Verwahrungsinitiative" so ziemlich alles Mögliche getan, um in der gesetzgeberischen und praktischen Umsetzung dieses Verfassungsauftrages denselbigen total zu verwässern. 

Fazit: Der Staat bzw. dessen Repräsentanten (Parlament, Regierung/Verwaltung, Justiz und in diesem Fall auch die Presse als "vierte Gewalt" in der modernen Demokratie) sind vertragsbrüchig und wundern sich, dass einige wütende Bürger nun auch vertragsbrüchig werden und zur Selbstjustiz greifen bzw. in die Selbstjustiz zurück fallen. Wie schrecklich. Genau: es ist schrecklich, es ist nicht entschuldbar. 

Aber statt nur mit dem Finger auf den "Mob" zu zeigen, wäre ein bisschen Selbstkritik der "Elite" angezeigt - der Parlamentarier, der Regierenden, der Verwaltungsbeamten, der Richter, der Justizbeamten und Sozialarbeiter im Strafvollzug und auch der Journalisten und Intellektuellen. Sie alle sind ebenso vertragsbrüchig wie der "Mob". 

Im Gegensatz zum "Mob", der sich sehr wohl bewusst ist, dass er aus Verzweiflung eine Grenze überschreitet, merken die Angehörigen der Elite nicht mal, dass sie Unrecht begehen und ihre Pflichten verletzen. Das ist ebenso schrecklich. Das tötet auch - zwar keine Verbrecher (und manchmal auch Unschuldige, die der "Mob" für Verbrecher hält), sondern tatsächlich Unschuldige, die einem Sexulstraftäter, Amokläufer, Sektenguru etc. in die Fänge bzw. vor die Flinte laufen. 

Genau jene Kreise von "Gutmenschen" mit meist links-grüner politischer Überzeugung, die betreffend der laschen Haltung gegenüber verurteilten Gewaltverbrechern mehr als nur einen blinden Fleck im Auge haben, prangern seit 1968 mit Slogans wie "Ne**** tötet Babies" oder "Ap*** tötet chinesische Arbeiter" (die Namen der multinationalen Firmen sind so austauschbar wie die konkreten Slogans) die "verdeckten" Folgen von wirtschaftlicher Tätigkeit an und machen damit bewusst, dass gewisse Entscheidungen de facto Menschen töten, auch wenn die Verantwortlichen dies weder bedenken und schon gar nicht ausdrücklich wollen. 

Genau das passiert auch, wenn man rückfallgefährdete Verbrecher nach wenigen Jahren Gefängnisstrafe laufen lässt. Eigentlich offensichtlich. Offenbar nicht für alle. Dummerweise nicht für jene, die die Schlüssel zu den Gefängnistoren in den Händen halten. Dummerweise tödlich für Unschuldige. Deshalb: schrecklich. Genauso schrecklich wie Lynchjustiz. Nur halt ebenso verdeckt wie der Tod durch Babymilchpulver, das mit verseuchtem Wasser angerührt wird. Genau so unentschuldbar, besonders dann, wenn die "Täter" sich zur "Elite" zählen und denken, sie seien intelligenter und zivilisierter als der "Mob".

Samstag, 6. Oktober 2012

Bald ist das Lateinmonster in Basel Geschichte



1980 stellte die Studentenschaft dieses Monster vor den Eingang zu den Hörsälen am Petersplatz um für die Abschaffung des Lateinobligatoriums an der phil I - Fakultät zu demonstrieren. Lange ist es her - diesen Herbst wird nun der Lateinzwang für Geschichte und Kunstgeschichte still und ohne grosse Publicity beerdigt.

Bericht in der Basellandschaftlichen Zeitung


Wie Radio DRS im Echo der Zeit berichtet, hält die Uni Zürich dagegen am Latein fest, auch wenn sie damit bald allein steht. 

Tempora mutantur - Times are a-changing


Sonntag, 24. Juni 2012

Big Brother heiratet Big Sister

Wie facebook.com aus der Kombination des Selbstdarstellungstriebes seiner NutzerInnen mit der Technologie des kleinen Startup-Unternehmens face.com das Internet zu einem Ort macht, in dem fast jedes beliebige Gesicht dem richtigen Namen zugeordnet werden kann.


Die aktuelle Seite der Story
Vor wenigen Tagen hat facebook offiziell bekannt gegeben, dass es die israelische Startup-Firma face.com kaufen wird. face.com hat eine sehr zuverlässig arbeitende Gesichtserkennungs-Software entwickelt. Ist einmal ein Foto eines Gesichts bekannt, erkennt diese Software die gleiche Personen auch auf weiteren Fotos im Internet.
Bericht im Tagesanzeiger


Über die genauen kommerziellen oder allfällige andere Motive von facebook für den Kauf wird derzeit spekuliert. Immerhin ist dem blog von face.com folgendes zu entnehmen:
"
Our mission is and has always been to find new and exciting ways to make face recognition a fun, engaging part of people’s lives, and incorporate remarkable technology into everyday consumer products."
blog von face.com


Technischer Hintergrund
Aus dem Artikel im Tagesanzeiger geht hervor:
 - face.com arbeitet schon bisher mit facebook zusammen
 - face.com hat Hunderte Millionen Fotos mit Markierungen versehen
 - face.com kann neben der Identität von BenutzerInnen auch Geschlecht und Alter in den Fotos erkennen

Wie funktioniert es in der Praxis
Noch vor wenigen Jahren war es gang und gäbe, dass bei einer Fotosuche mit google selbst bei Personen, die durch ihre öffentliche Tätigkeit in regionalen Zeitungen jährlich mehrmals mit Foto präsent sind, keine zutreffenden oder mehr falsche als zutreffende Fotos erbrachte. Bei anderen Suchmaschinen war die Trefferquote noch schlechter. Inzwischen sind wie durch Geisterhand viele falsche Zuordnungen verschwunden und korrekt zugeordnete Fotos dazu gekommen. Der Effekt zeigt sich besonders dann, wenn die betroffene(n) Person(en) selbst einen facebook-Account mit Profilfoto hat(haben) und damit eine "gesicherte" Zuordnung zum Namen als Ausgangspunkt besteht.
Wo ein solcher Zusammenhang fehlt, greift die google-Bildersuche immer noch maschinell "dumm" auf Bildlegenden zurück, ohne diese korrekt zu "verstehen". So liefert eine Bildsuche nach "Martin Jud" z.B. das Bild eines Säuglings mit der Bildlegende "1204 × 803 - In Uznach in der evangelischen Kirche wurde Anja von Pfarrer Martin Jud am ...". Der Mensch interopretiert sofort, dass der Säugling Anja heisst und das Bild wenig zum Pfarrer aussagt, der dumme Computer macht die falsche Zuordnung. Mit Gesichtserkennung verschwindet solches, sobald ein zuverlässig zugeordnetes Bild im Internet verfügbar ist.


Und was kommt auf uns zu?
In Zukunft wird (fast) jedeR im Internet zur gläsernen Person - ob wir das wollen oder nicht. Denn unsere lieben FreundInnen und Bekannten werden uns auf facebook markieren, ob wir wollen oder nicht ...





Grottenschlechte neue Oberfläche in Blogger

Blogger hat die Oberfläche verändert. Einmal mehr eine Verschlimmbesserung aus dem unsäglichen Bedürfnis nach "Innovation" heraus. Merke: wenn etwas gut ist, kann man es durch Veränderung fast nur noch schlechter machen. Es ist wie auf einer Bergwanderung. Wer auf dem Gipfel steht, kann nur noch absteigen.
Schade.
Mein heutiger Post, an dem ich einige Zeit geschrieben hatte, ist zwar gespeichert, aber für mich im Nirwana. Vielleicht ist das mein letzter Post auf Blogger. So macht es definitiv keinen Spass mehr.

Donnerstag, 19. April 2012

Der Euro ist eine Fehlkonstruktion - aber Europa will es nicht wahrhaben

Bei Diskussionen mit Kollegen, die wie ich nicht Wirtschaft studiert haben, sondern als Ingenieure arbeiten, fällt mir immer wieder auf, dass wir zwar "allgemein gebildeten", aber eben nicht auf Ökonomie spezialisierten Zeitgenossen kein allzu tiefes Verständnis von grundlegenden volkswirtschaftlichen Vorgängen haben. Ich fürchte, vielen Politikern geht dasselbe in ähnlichem Masse ab. Vielleicht müsste man der Ökonomie etwas mehr Gewicht an den Mittelschulen geben ... aber darüber will ich heute gar nicht schreiben.

Aufgefallen ist mir das Problem anhand der Eurokrise. Ein wichtiger Aspekt und eine wichtige Ursache der Eurokrise ist die Tatsache, dass man bei der Einführung ohne (auch nur ansatzweise genügende) flankierende Massnahmen die Marktmechanismen des Währungsmarktes ausgehebelt hat. Und sowas tut man nicht ungestraft. Bekannt ist, dass man eine Schuldengrenze (Stabilitätsziel) definiert hat, die europäischen Politiker aber weitaus erfinderischer darin sind, diese trickreich zu umgehen als Wege zu finden, um sie einzuhalten. Das erzürnt diejenigen, die sich daran halten (aber auch nicht immer daran gehalten haben) insbesondere die deutsche Bundesregierung. Aber auch das ist noch nicht der wichtige Punkt, denn der Staatshaushalt ist ja nur ein Teil der ganzen Volkswirtschaft (jedenfalls in einer westlichen Marktwirtschaft, im Gegensatz etwa zu Kuba oder zur DDR).

Ein grösseres Gewicht hat - zumindest im "Westen" der "private" Wirtschaftssektor. Und der besteht aus Betrieben, die Waren herstellen, Handelsfirmen und KonsumentInnen. Und auch wenn man der klassischen ökonomischen Theorie kritisch gegenüber steht, ist doch einleuchtend: Wenn viele Leute ein Produkt haben wollen, und davon wenig hergestellt wird (oder ein Monopolanbieter die Menge künstlich knapp halten kann, oder ein Kartell die Preise abspricht), dann steigt der Preis mit der Nachfrage. Umgekehrt versuchen die meisten Handelsfirmen ihre "Ladenhüter" durch Preisnachlässe attraktiver zu machen.
Um Missverständnissen vorzubeugen sei hier noch erwähnt, dass auch Hotelübernachtungen und Dienstleistungen wie Haareschneiden natürlich im erwähnten Sinne "Produkte" sind. Es gibt Länder, wie die Schweiz oder Griechenland, wo solche Dienstleistungen einen grossen Teil der "verkauften Produkte" ausmachen.

Was hat das mit Währungen zu tun? Im internationalen Handel (auch wenn ich selbst über die Grenze einkaufen gehe) muss ich erst mal bei der Bank Geld in fremden Währung kaufen, bevor ich damit im Ausland ein Produkt kaufen kann. Das gilt auch für den Hersteller von Waren, für die er ausländische Rohstoffe einkaufen muss usw.

Umgekehrt braucht ein Hersteller, der ein Produkt ins Ausland verkauft (exportiert) Geld in der einheimischen Währung um Löhne und sonstige Kosten zu bezahlen, die im eigenen Land anfallen. Er muss also mit den Einnahmen aus dem Export wieder "eigene Währung kaufen".

Wenn ein Land gleich viel exportiert wie importiert, dann spricht man von einer ausgeglichenen Handelsbilanz und wenn diese Verhältnisse gegenüber den Handelspartnern stabil bleiben, bleibt auch die Nachfrage nach Währungs-Umtauschgeschäften im Gleichgewicht, d.h. der Wechselkurs zwischen den Währungen bleibt stabil. Gehen Importe und Exporte allerdings zu sehr auseinander, dann konsumieren die einen das, was die anderen herstellen, ohne dafür einen Gegenwert zu liefern. Auf dem Markt funktioniert sowas nicht. Der Markt gleicht das Ungleichgewicht allerdings nicht direkt, sondern indirekt aus: Die Nachfrage nach der Währung eines Landes mit grossem Exportüberschuss steigt, weil ja alle diese Währung brauchen, um die (begehrten) Produkte zu kaufen. Umgekehrt sinkt die Nachfrage nach Währungen von Ländern mit Importüberschuss.

Wenn Währungen an den Finanzmärkten gehandelt werden, dann spielt sich durch den Handel mit den Währungen über den Mechanismus von Nachfrage, Angebot und Preis ein neuer Wechselkurs ein: die Währungen der Exportriesen werden teurer, ihre Produkte damit auch, die Währungen der Länder mit Importüberschuss werden billiger, deren Produkte damit auch - jedenfalls im Aussenhandel. Im Prinzip müsste in einer Welt der Schnäppchen-Jäger somit die Nachfrage nach den billiger gewordenen Produkten steigen und die nach den teuerer gewordenen Produkten sinken. So ergibt sich ein - ständig neu ausgehandeltes Gleichgewicht.

Die Sache hat allerdings einen Haken, der gerade im Fall der Schweiz nicht unbedeutend ist: wenn über längere Zeit ausländische Investoren mehr Geld in der Schweiz anlegen wollen als sie wieder abziehen, dann löst auch das eine "Nachfrage" nach Schweizer Franken aus, d.h. der Franken wird "teurer". Das ist allerdings ein Effekt, der innerhalb der Eurozone eine viel geringere Bedeutung hat als gegenüber der Schweiz und den ich deshalb hier nicht weiter betrachten will.

Was ist nun mit der Einführung des Euros passiert? Wer vor der Einführung jahrzehntelang ab und zu Ferien am Mittelmeer gemacht hat, erinnert sich noch daran, dass der Wechselkurs der italienischen Lira und der griechischen Drachme von Jahr zu Jahr gesunken ist. Offensichtlich hat der Währungsmarkt hier Ungleichgewichte im Handel (inkl. Dienstleistungen) immer wieder in die gleiche Richtung korrigiert.  Dieses Prinzip hat nicht schlecht funktioniert.

Mit der Einführung des Euro wurde der Ausgleich über den Wechselkurs innerhalb der Eurozone einfach abgeschafft. Das kann nicht lange gut gehen. Vor allem, wenn es keinen direkten Ersatz für den abgeschafften Ausgleichsmechanismus gibt. Indirekt haben die "Eltern" des Euro wohl geglaubt, der freie Binnenmarkt und die Personenfreizügigkeit seien solche Ausgleichsmechanismus und würden genügen. So war es aber offensichtlich nicht.

Interessant ist, dass man immer nur von der Staatsverschuldung spricht und nur höchst selten über die Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel mit Waren und Dienstleistungen, die - mangels Ausgleich über Wechselkurse - seit der Einführung des Euro nicht mehr ausgeglichen werden.

Als einfachem Zeitgenossen ist es mir rätselhaft, wie die volkswirtschaftlichen Spezialisten und Politiker in Europa diese einfachen Zusammenhänge so konsequent und so lange ignorieren können. Ein Grund dafür fällt mir ein: niemand möchte gerne zugeben, dass er sich geirrt hat. Lieber noch ein bisschen weiterwurschteln und hoffen, dass es sich mit der Zeit von selbst löst. Das ist allerdings keine besonders beruhigende Zukunftsperspektive.

Mittwoch, 11. April 2012

Herdentrieb oder Nützlichkeitsorientierung?

Der Ökonom Werner Vontobel stellt die Grundannahme der klassischen Wirtschaftstheorie radikal in Frage:
Die Menschen würden nicht ihren Nutzen maximieren, wie die Vordenker der modernen Ökonomie gemeint haben, sondern sie seien schlicht und einfach Herdentiere, die dem Leithammel folgen und bestenfalls nacheifern.
http://www.blick.ch/news/wirtschaft/vontobel/warum-reiche-reicher-werden-id1841769.html

So einfach dürfte es nicht sein. Einerseits folgen diejenigen, die gemäss Vontobels Theorie die Rolle der Leithammel spielen, ja nicht einfach irgendwelchen festen Ritualen wie Leithammel beim Kampf um die Führungsposition in der Herde. Vielmehr lassen sie sich durchaus einiges einfallen, um mit neuen Produkten, Verkaufsmethoden oder Finanzinstrumenten am Markt einen Vorteil zu haben. Auch das hat die Finanzkrise eindrücklich genug gezeigt.

Andererseits folgen bei weitem nicht alle brav den Leithammeln, sondern es gibt sehr viele ganz unterschiedliche Strömungen in der modernen Gesellschaft, die man nicht einfach über einen Kamm scheren kann. Vor allem orientieren sich die meisten Leute bei ihren Entscheiden nicht ausschliesslich an wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern auch an Gefühlen, Werten (z.B. Solidarität), Überzeugungen usw.

Recht hat Vontobel insofern, als das Nützlichkeitsprinzip tatsächlich viel zu plump ist, um das wirtschaftliche Handeln der Menschen angemessen zu erklären. Allerdings bringt es nichts, die jahrhundertealte grobe Vereinfachung durch ein auch nicht eben furchtbar "neues" und vor allem ebenso plumpes Prinzip zu ersetzen.

Die Frage ist auch nicht, ob die Wirtschaft sich selbst steuert, wenn ihr die Politik nicht dreinredet - das tut sie nämlich sehr wohl: die Stärkeren setzen sich dann einfach durch. Das ist genau so wie in der Natur. Die Frage ist, ob wir Menschen das so wollen. Und wie wir reagieren, wenn das Recht des Stärkeren - ohne Regulierung durch die Politik - konsequent auf die Spitze getrieben wird.

Ein Blick auf die Weltpolitik und die Geschichte zeigt: Wenn die Ungleichheit zu gross wird, suchen die Menschen irgendeine Form des Ausgleichs. Bietet die Politik eine "zivilisierte" Möglichkeit dazu an, z.B. indem auf demokratischem Weg Gesetze erlassen werden, die die schlimmsten Auswüchse einschränken, dann wird diese Möglichkeit auch genutzt. Ist das politische System dagegen so erstarrt, dass Veränderungen auf diesem Weg nicht möglich sind, dann steigt der Druck so lange an, bis es zu einer gewaltsamen Veränderung kommt, wie letztes Jahr in Nordafrika (Aegypten, Tunesien, Libyen) oder vor gut zweihundert Jahren in Europa (Französische Revolution, Helvetische Revolution 1798).

Bei der Revolutionsvariante gibt es in aller Regel viele Tote, grosse Zerstörungen und meist auch neue Ungerechtigkeit; nur in den seltensten Fällen entsteht direkt nach einer Revolution eine stabile und gerechte neue Gesellschaftsordnung, kurzum: es gibt fast nur Verlierer. Das wissen auch die meisten Leute - so dumm wie Herdentiere, wie Vontobel unterstellt, sind sie nämlich nicht. Revolutionen gibt es deshalb nur dort, wo sehr viele Leute (fast) nichts mehr zu verlieren haben.

Vergleicht man die heutige Wirtschaft mit einer Klimaanlage, dann würde die Variante "Verelendung und Revolution" etwa dem Versuch entsprechen, mit einem Vulkan zu heizen. Zuerst wird es unerträglich heiss, dann kommt es zur Explosion und die in die Luft geschleuderte Asche verdunkelt die Sonne, es kühlt wieder ab - bis zu dem Punkt, wo es im Sommer schneit und im nasskalten Wetter alles verfault. Nicht eben das, was man von einer "Klimaanlage" erwarten würde.

Die mittelschwache "Regelung" der Wirtschaft wie wir sie in Westeuropa ungefähr seit dem zweiten Weltkrieg  erleben, liesse sich dagegen mit einem Kachelofen vergleichen, bei dem tüchtig eingeheizt wird, bis die ganze Wohnung überhitzt und die Luft total stickig ist (Hochkonjunktur, Arbeitskräftemangel). Dann reisst man die Fenster auf und lässt die Wohnung wieder abkühlen, bis alle frieren (Rezession, Arbeitslosigkeit). Und so geht das von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus. Auch noch nicht ganz das, was wir als angenehmes Raumklima empfinden. Aber immerhin wesentlich besser als beim Vulkan, um im Bild zu bleiben.

Die Heizungstechnik zeigt allerdings, dass man auch feiner regeln kann, wenn man a) will und b) sich ordentlich um die Verfeinerung der Regeltechnik bemüht. Vielleicht gelingt es den Ökonomen ja im 21. Jahrhundert, bei der Steuerung der Konjunktur einen wesentlichen Schritt vorwärts zu kommen. Derzeit sehe ich allerdings schon bei Punkt a), beim Willen, wenig ermutigende Anzeichen. Aber das kann sich ja noch ändern, oder in der Managersprache ausgedrückt: es ist noch sehr viel Potenzial vorhanden.

Freitag, 30. März 2012

We're not winning

 «Ich sehe nicht, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen, wenn wir unsere Techniken nicht verbessern oder unser Denken ändern. So wie wir es derzeit handhaben, werden wir den Hackern nie einen Schritt voraus sein können.»
Shawn Henry, Chef der Abteilung für Computersicherheit bei der US-Bundespolizei FBI bringt es auf den Punkt.
http://online.wsj.com/article/SB10001424052702304177104577307773326180032.html
(deutsche Zusammenfassung beim Tagesanzeiger:
 http://www.tagesanzeiger.ch/digital/internet/Wo-die-Supermacht-kapituliert/story/19725939)

Wer ein bisschen aufmerksam beobachtet, was sein PC zuhause und im Büro ohne ausdrückliche Bedienung oder wenigtens Zustimmung alles so treibt, kann sich eigentlich nicht wundern, dass die heutigen Betriebssysteme (insbesondere diejenigen von Microsoft) Hacker geradezu anlocken wie der Kuhdung die Fliegen.

Was müsste denn geändert werden?
1. Die Firmenkunden müssten der Computerindustrie den Tarif durchgeben. Klare Forderungen stellen. Entweder ihr gebt uns innert weniger Jahre sichere Betriebssysteme und sichere Software, oder ihr könnt das Geschäft vergessen - im Extremfall, weil die Firmenkunden die heutige Entwicklung im alltäglichen Cyber War nicht mehr allzu lange überleben werden.Und ohne die Arbeitsplätze wird es auch keine Privatkunden mehr geben.

2. Der entscheidende Punkt ist "unser Denken ändern": die heutige Software will vor allem eines sein: total flexibel und laufend veränderbar. Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht irgendeine neue Schnickschnack-Technologie erfunden wird, die eigentlich niemand wirklich braucht, die aber der Markt trotzdem begierig aufsaugt. Innovation um der Innovation willen halt.

Wenn wir "unser Denken ändern" sollen, dann müssten die Benutzer - private ebenso wie Firmenkunden - sich zuallererst schlicht einmal damit zufriedengeben, dass alle Hersteller Standards einhalten und sich damit begnügen, dass neue Videos und Spiele mit Inhalten statt mit immer neuen technischen Effekten punkten müssen, weil man neue Effekte nur noch sehr restriktiv entwickelt. Heute ist es gerade umgekehrt.

3. Wenn ich Software wöchentlich ändern/updaten muss, dann kann ich das als mittelgrosser oder grosser Firmenkunde nur nur noch mit Fernwartung halbwegs systematisch bewältigen. Wenn das System aber Fernwartung zulässt, dann wird es auch Fernmanipulation durch Hacker zulassen. Ist die "Hintertür" für die Fernwartung erst mal im System drin, dann kann (und wird) sie auch vom Hacker benutzt werden.

Auch dagegen hilft wieder nur radikales Umdenken: Das System muss total "abgeschottet" werden, einmal "für immer" (d.h. für die Lebensdauer der Hardware, d.h. ca 5 bis maximal 10 Jahre) aufgesetzt werden und dann einfach unverändert laufen: dann braucht es nämlich keine Fernwartung mehr und damit auch keine Hintertür, die über das Internet zugänglich ist.

4. Zum Thema "Abschottung". Es beginnt schon ganz elementar. Seit Jahrzehnten setzen Profis PC's so auf, dass eine Harddisk grundsätzlich aufgeteilt wird in einen Bereich für Betriebssystem und Programme (unter DOS und Windows: Laufwerk "C:") und einen Bereich für Daten (Laufwerk "D:"). Als gewöhnlicher Mitarbeiter habe ich auf meinem Firmen-PC auf dem Laufwerk "C:" gar nichts zu suchen - auch dann nicht, wenn ich zuhause durchaus erfolgreich meine PC's selbst warte.

Nur die - man entschuldige den harten Ausdruck - "Chaoten" von Microsoft & Co (Linux ist leider nicht wirklich besser) vermischeln systematisch Betriebssystem und Benutzerdaten und "verstecken" die Benutzerdaten irgendwo in einem Verzeichnisbaum tief im Betriebssystem-Laufwerk. Auf diese Weise muss das System dauernd im Betriebssystembereich Daten verändern, d.h. aber auch: man kann den Betriebssystem-Bereich nicht grundsätzlich gegen Veränderungen (zB das Installieren von Schadsoftware) schützen, sondern muss bei jedem Schreibzugriff entscheiden, ob der "gut" oder "böse" ist.

Speichermedien - Harddisks oder Disketten etc. lassen sich seit Jahren auf der Ebene der Hardware einfach und zuverlässig gegen das Überschreiben schützen -aber nur, wenn man ganze Datenbereiche schützt oder freigibt, nicht einzelne Dateien. Dazu müsste man den geschützten und den veränderlichen Bereich aber eben sauber trennen (siehe oben). Dass man mit dem Vermischeln der Bereiche "den Hackern nie einen Schritt voraus sein" kann, ist eigentlich logisch.

5. Man sollte klar unterscheiden zwischen den Zugriffsrechten eines Systemadministrators und denjenigen eines normalen Benutzers. Und auch derjenige, der Administratorrechte hat, sollte sich diese nur "zulegen", wenn er entsprechende Wartungsarbeiten am PC ausführt, nicht aber, um einfach Texte oder Fotos zu bearbeiten oder im Internet zu surfen. Es gibt immer wieder nachträgliche Veränderungen, die diese so einfache Regel kaputt machen.

Z.B. läuft unter Windows gewisse Software für WLAN über USB-Stick, die früher einmal mit Administratorrechten installiert werden musste und dann mit "normalen" Benutzerrechten funktionierte, heute nach dem Aufspielen sogenannter Sicherheitsupdates nur noch mit Administratorrechten. Damit ist der Benutzer vor die Wahl gestellt, dauernd mit Administratorrechten zu arbeiten, oder den WLAN-Stick fortzuwerfen. Für solche Sicherheitsupdates gibt es nur einen sinnvollen Begriff: pervers. Das Beispiel ist übrigens nur eines von vielen ähnlich gelagerten bei Windows Updates. Und auch hier sind UNIX und Linux nicht besser, wie der berühmte KGB-Hack aus den 1980er-Jahren zeigt, wo die Hacker die Tatsache ausnutzten, dass eine neue Funktion zum Abholen von e-Mails mit dem pop3-Protokoll Administratorenrechte benötigte. Wozu eigentlich? Es gibt doch keinen wirklich guten Grund, die Zugriffsrechte auf die Daten eines Benutzers mit den Zugriffsrechten auf die Konfiguration des Betriebssystems zu verbandeln!
http://de.wikipedia.org/wiki/KGB-Hack

Natürlich gibt es zu vielen dieser Schwachstellen irgendwann "Patches" (Korrekturen). Aber erst, nachdem schon viel Schaden angerichtet wurde. Man ist bei dem - was die Sicherheit betrifft - grundsätzlich konzeptlosen Aufbau der heutigen Computer-Betriebssysteme den Hackern effektiv immer einen Schritt hintendrein statt voraus sein, wie Shawn Henry zutreffend erkannt hat.

Man könnte hier endlos weiter philosophieren. Und selbstverständlich müsste man ziemlich viele Leute während einigen Jahren dran setzen, ein wirklich stabiles und sicheres Betriebssystem für PC's zu entwickeln. Solange die aber immer und immer wieder lieber beliebig flexible statt sichere Systeme entwickeln, wird Shawn Henry - leider - recht behalten: "We're not winning". Eigentlich schade.

Mittwoch, 14. März 2012

Blogging-Unternehmer Nick Denton ist enttäuscht von der Intelligenz der Massen

Nick Denton, Gründer der Blogging-Plattformen Gawker, Jezebel, Gizmodo, io9 und Lifehacker hat die Hoffnung aufgegeben, dass das Internet einen ernsthaften Gedankenaustausch und intelligente Diskussionen zwischen seinen BenutzerInnen herbeiführen werde. Die Idee, die Intelligenz der Leserschaft in den Kommentaren zu einem Blog anzapfen zu können, sei nur noch ein schlechter Witz.

Selbst das Moderieren von Kommentaren hält er für reine Zeitverschwendung - acht von zehn Kommentaren hätten nichts mit dem Thema zu tun oder seien nur giftig. Je populärer eine Seite werde, desto schlechter und hässlicher seien die Kommentare.Eine anständige und intelligente Diskussion sei auf grossen Seiten schlicht unmöglich geworden und das schrecke auch noch die letzten Leute ab, die ernsthaft diskutieren möchten.
Nick Denton bei CNN

Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Egal ob es um sich um offene Bereiche von sozialen Netzwerken, grosse Blogs oder Kommentarbereiche zu Online-Artikeln von Tageszeitungen handelt - das Bild ist immer dasselbe: es wimmelt von Trolls, die bloss Aufmerksamkeit heischen und zu diesem Zweck weder vor falschen, klischeehaften, unsinnigen und provokativen Aussagen noch vor groben persönlichen Beleidigungen zurück schrecken und es schaffen, jede sinnvolle Diskussion zu ersticken.

Samstag, 3. März 2012

Lautes Wiehern des Amtsschimmels in Zürcher Schulstuben

Wenn Du überqualifiziert bist, sollst Du nicht vom Kanton Aargau in den Kanton Zürich ziehen. Dort gilt nämlich uneingeschränkt und gegen jede Vernunft, was der Amtsschimmel wiehert.

"Die deutsche Juliane Kade unterrichtet seit sieben Jahren in Spreitenbach im Kanton Aargau auf der Realstufe. Sie hat eine Zulassung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) in Geschichte und Englisch, und zwar auf Gymnasialniveau. Nun hat sie sich auf eine Stelle in Embrach (Kanton Zürich) beworben und soll in Deutsch nachbüffeln. ... Welche Module Juliane Kade besuchen solle, habe auf dem Volksschulamt allerdings niemand sagen können, sagt  der Embracher Schulpräsident Altenburger. «Klar ist bis jetzt lediglich, dass Frau Kade Deutsch nachbüffeln muss. Den Rest kann sie frei wählen – und das ist doppelt absurd.»"
 http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Deutsche-Lehrerin-zum-Deutschkurs-verknurrt/story/11733437

Na ja, die spinnen die Zürcher. Das wussten die übrigen Schweizer eigentlich schon lange. Nicht nur die Basler, auch die Ostschweizer und Zentralschweizer. Die wagen es bloss nicht so laut zu sagen, weil sie ja darauf angewiesen sind oder sein könnten, in Zürich einen Job zu finden, wie Frau Kade.

Etwas besser versteckt im Artikel des Tagesanzeigers ist ein Verweis auf das Bologna-System der europäischen Hochschulen. "Eine Festanstellung sei erst erlaubt, wenn sie sich zehn Leistungspunkte nach dem europäischen Hochschulsystem erarbeitet habe." Erfahrung und praktische Qualifikation sind offenbar im 21. Jahrhundert nicht mehr gefragt. Hauptsache, man hat einen Wisch Papier, der irgendwelche Leistungspunkte bescheinigt. Welche genau, und wozu überhaupt das scheint ja nicht so wichtig zu sein.